Blog: Inklusion und Nachhaltigkeit – Zwei Seiten derselben Medaille

von Judith Langensiepen

Inklusion ist mehr als nur ein pädagogisches Konzept: Sie ist ein Menschenrecht. Die Vereinten Nationen (UN) haben mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die 2008 in Kraft getreten ist, einen bedeutenden Schritt in Richtung globaler Gerechtigkeit unternommen. Die UN-BRK fordert die volle und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung an allen gesellschaftlichen Bereichen. Dies schließt ausdrücklich auch den internationalen Kontext ein. In Artikel 32 der UN-BRK wird festgehalten, dass internationale Kooperationen und Entwicklungsmaßnahmen inklusiv gestaltet werden müssen, um die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung zu fördern.

Globale Verantwortung: Inklusion als Menschenrecht

Weltweit leben etwa eine Milliarde Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung. Das entspricht etwa 15% der Weltbevölkerung. Diese Menschen sind überproportional häufig von Armut betroffen und haben oft keinen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung. Besonders in Ländern des globalen Südens sind Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung häufig von sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen, was ihre Chancen auf ein selbstbestimmtes und würdiges Leben erheblich einschränkt.

Abbildung 1: Der Teufelskreis von Armut und Behinderung – Armut verursacht Behinderung und Behinderung versucht Armut

Im Sinne der Nachhaltigkeit möchten entwicklungspolitische Bemühungen darauf abzielen, Armut zu bekämpfen und die Lebensbedingungen weltweit zu verbessern. Dabei ist wichtig zu verstehen: Inklusion und Nachhaltigkeit sind zwei Konzepte, die untrennbar miteinander verbunden sind. Ohne Inklusion kann es keine nachhaltige Entwicklung geben, und ohne nachhaltige Entwicklung kann Inklusion nicht vollständig erreicht werden. Ohne Inklusion und die Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen, mit denen Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung konfrontiert sind, bleibt jede Form der Entwicklung einer globalen Gerechtigkeit unvollständig und ungerecht.

Global Denken, Lokal Handeln: Inklusion kennt keine Grenzen

Inklusion und Nachhaltigkeit sind also keine separaten Themen, sondern müssen als integraler Bestandteil einer gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft betrachtet werden. Die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung und ihre Teilhabe an Bildung und Entwicklung sind unerlässlich, um die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich und gemeinsam zu meistern.

Inklusion muss also global gedacht werden, denn die Herausforderungen und Chancen, die mit der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung verbunden sind, kennen keine nationalen Grenzen. Es ist an der Zeit, dass die Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung weltweit verbessert wird, um sicherzustellen, dass alle Menschen überall die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Gleichzeitig darf aber auch die Situation in Deutschland nicht aus dem Blick geraten. Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung müssen in alle Bereiche der Gesellschaft einbezogen werden – insbesondere auch in der Bildungsarbeit. Auch wir müssen uns fragen: Denken wir Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung in unserer Bildungsarbeit mit? Berücksichtigen wir ihre Perspektiven und Ideen?

Bildung als Schlüssel: Inklusive Bildung für eine nachhaltige Zukunft

Bildung spielt eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Inklusion und ist ein wesentlicher Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) festlegt, betont in Ziel 4 die Notwendigkeit einer inklusiven und gerechten Bildung für alle. Und auch das Unterziel 4.7 impliziert, dass Bildungssysteme so gestaltet sein sollten, dass sie alle Lernenden, einschließlich Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung, berücksichtigen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich an der nachhaltigen Entwicklung zu beteiligen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) muss also inklusiv gestaltet werden, damit Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung nicht nur als Teilnehmende, sondern als aktive Akteur*innen in den Gestaltungsprozess einer nachhaltigen Zukunft eingebunden werden. Das bedeutet, dass Bildungskonzepte und -angebote so entwickelt werden müssen, dass sie barrierefrei und zugänglich sind, damit Menschen mit unterschiedlichen Bedarfen aktiv daran teilnehmen und ihre Perspektiven einbringen können. Nur wenn Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung von Anfang an in Bildungsprozesse einbezogen werden, können wir sicherstellen, dass die Ziele der Bildung für nachhaltige Entwicklung wirklich alle Menschen erreichen und dass niemand aufgrund von Beeinträchtigung/Behinderung ausgeschlossen wird. Inklusion in der Bildung ist somit nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele weltweit.

bezev: Seit 30 Jahren für Inklusion und globale Gerechtigkeit aktiv

Seit bald 30 Jahren setzt sich bezev (Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.) für die Rechte der rund eine Milliarde Menschen ein, die weltweit mit Beeinträchtigung/Behinderung leben – 80 Prozent von ihnen in Ländern des Globalen Südens. Unseren Projekten und Aktivitäten liegen dabei drei Leitideen zugrunde: Inklusion, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Die Projekte und Aktivitäten von bezev haben das Ziel, zu informieren, zu sensibilisieren und die Situation von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung konkret zu verbessern:

• Erstellung von inklusiven Informations- und Bildungsmaterialien

• Durchführung von Fachtagungen, Fortbildungen, Kampagnen etc.

• inklusive Gestaltung von Freiwilligendiensten

• politisches Engagement (Positionspapiere, Gremienarbeit) national, international und auf UN-Ebene

• Unterstützung von Auslandsprojekten

• Publikation der einzigen Fachzeitschrift im deutschsprachigen Raum „Behinderung und internationale Entwicklung. Disability and International Development“

Auch auf dem WeltWeitWissen Kongress 2024 sind wir von bezev dabei, um sich im Panel I „Globaler Zusammenhalt & Partizipation“ und auf dem Bildungsmarkt zu „Inklusive Bildung für nachhaltige Entwicklung“ mit allen Teilnehmenden gemeinsam zu Inklusion im globalen Kontext auszutauschen und darüber zu diskutieren, wie globale Gerechtigkeit Realität werden kann.