Blog: Frieden geht anders – aber wie? (von Daniel Untsch, Referent für Friedensbildung im Zentrum Oekumene der EKHN & EKKW)
Liebe:r Leser:in,
liebe Interessierte am Kongress WeltWeitWissen,
zu Beginn dieses Textes möchte ich Dich gerne zu einem kleinen Experiment einladen. Das geht ganz schnell und tut nicht weh. Ich bitte Dich darum die Augen zu schließen, an das Wort „Militär“ zu denken und die Assoziationen, die Dir in den Kopf kommen mal so 30 bis 60 Sekunden wirken zu lassen.
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Vielen Dank fürs Mitmachen. Ich kann natürlich nicht wissen, welche Bilder konkret in Deinem Kopf entstanden sind, ich kann mir aber gut vorstellen, dass sie in etwa so aussehen: das Rattern von Rotorenblättern, Wüstenstaub, der aufgewirbelt wird, Panzer, die über weites Land fahren, Raketen, die mit viel Lärm abgefeuert werden, dreckverschmierte Soldat:innen, die gemeinsam kämpfen und zu Held:innen werden,…
So oder so ähnlich dürften die Bilder in vielen Köpfen aussehen, die beim Stichwort „Militär“ aufploppen. Ob diese Bilder der Realität entsprechen, das ist eine andere Frage, was aber wichtig ist: Sie sind da. Hollywood ist daran sicherlich nicht ganz schuldig. So gibt es doch unzählige Actionfilme, die mal mehr mal weniger kritisch von Soldaten (vornehmlich Männern) und ihren Schicksalen im Kampf gegen Nazideutschland, in Vietnam, Korea, Afghanistan, Irak und an anderen Orten erzählen.
Wenn wir das eben durchgeführte Experiment leicht abwandeln und ich sage: Bitte schließen Sie die Augen und denken Sie an „zivile Konfliktbearbeitung“, dann bin ich mir sicher, dass die Kinoleinwand vor dem geistigen Auge der meisten leider leer bleibt. Bestenfalls tauchen da vielleicht einige hochrangige Politiker:innen auf, die sich vor vielen Fernsehkameras die Hände schütteln.
Diese Lücke, diese fehlenden Bilder im Kopf, die wollen wir mit unserer Ausstellung füllen. Wir wollen Menschen ein Bild von gewaltfreien Wegen der Konfliktbearbeitung vermitteln. Denn nur wenn wir konkrete Beispiele kennen, dann können wir uns auch etwas unter diesem ominösen Stichwort der zivilen Konfliktbearbeitung vorstellen, dann können wir gewaltfreie Wege zum Frieden denken, von ihnen erzählen und sie weiterentwickeln. Es sind die persönlichen Geschichten von Menschen, die sich mutig und angesichts großer Gefahren für Frieden eingesetzt haben, die diese Methoden in uns lebendig werden lassen.
Das ist wichtig! Denn nur allzu oft hören wir den Ausruf: Da hilft nur noch Militär! Eine immer wieder medienwirksam vorgebrachte Forderung, wenn ein Konflikt gewaltsam eskaliert, sodass Menschenrechte massiv verletzt werden, wenn Opferzahlen steigen und die Zahl flüchtender Menschen nicht mehr ignoriert werden kann. Dieser Ruf nach Militär ist einerseits verständlich. Denn wenn wir in den Nachrichten zerstörte ukrainische Dörfer sehen, dann weckt das ganz natürlich in uns den Wunsch den Menschen vor Ort zu helfen, und dazu zählt auch sie in ihrer Verteidigung zu unterstützen. Andererseits zeigt die Erfahrung vieler Kriege und Konflikte die verheerende Wirkung von Militär und Krieg, nämlich Traumatisierung, Zerstörung und Tod. Das Dilemma ist also klar: Wir wollen Frieden und den Schwachen beistehen und Waffen und Gewalt scheinen oftmals der einzige Weg zu sein. Dabei wissen wir gleichzeitig um die grausamen Folgen.
Über was wir aber zu wenig wissen, das sind die Alternativen zu Krieg und Militär. Deshalb zeigt unsere Ausstellung anhand von elf Konflikten konkrete Beispiele wie mit unterschiedlichen gewaltfreien Methoden Kriege und gewaltsame Konflikte verhindert oder beendet werden konnten. So zum Beispiel die Apartheid in Südafrika. Ein wichtiges gewaltfreies Mittel im Kampf gegen die gewaltsame Unterdrückung der Schwarzen Bevölkerung in Südafrika war ein Boykott südafrikanischer Waren. Dieser Boykott hatte zum Ziel das Regime in Südafrika wirtschaftlich zu schwächen und gleichzeitig in den Ländern des Globalen Nordens Aufmerksamkeit zu erzeugen für die Situation der Schwarzen in Südafrika.
Ein weiteres Beispiel ist der langjährige Bürgerkrieg in Mosambik. Dieser dauerte 16 Jahre und kostete etwa 900 000 Menschen das Leben. Erst dann gelang es den allparteilichen Vermittlern von Sant‘ Egidio sowie Vertretern der italienischen Regierung nach langen Verhandlungen einen Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla zu vermitteln. Ein Frieden schien lange unmöglich und wurde schließlich doch erreicht.
Mit Blick auf diese Beispiele wird schnell klar: Es gibt gewaltfreie Alternativen. Wir müssen sie nur kennenlernen und entdecken. Dazu lädt unsere Ausstellung „Frieden geht anders – aber wie?“ ein.
—-Auf dem WeltWeitWissen Kongress 2024 kannst Du Daniel beim Bildungsmarkt am Stand der Zentrum Oekumene treffen. Dort präsentiert er die Ausstelung „Frieden geht anders – aber wie?“.
Die Ausstellung richtet sich vorrangig an jüngere Menschen ab einem Alter von ca. 15 Jahren.
Alle weiteren Informationen zur Ausstellung finden Sie unter www.friedensbildung.de
Blog: Inklusion und Nachhaltigkeit – Zwei Seiten derselben Medaille (Judith Langensiepen, Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V. / bezev)
Inklusion ist mehr als nur ein pädagogisches Konzept: Sie ist ein Menschenrecht. Die Vereinten Nationen (UN) haben mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die 2008 in Kraft getreten ist, einen bedeutenden Schritt in Richtung globaler Gerechtigkeit unternommen. Die UN-BRK fordert die volle und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung an allen gesellschaftlichen Bereichen. Dies schließt ausdrücklich auch den internationalen Kontext ein. In Artikel 32 der UN-BRK wird festgehalten, dass internationale Kooperationen und Entwicklungsmaßnahmen inklusiv gestaltet werden müssen, um die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung zu fördern.
Globale Verantwortung: Inklusion als Menschenrecht
Weltweit leben etwa eine Milliarde Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung. Das entspricht etwa 15% der Weltbevölkerung. Diese Menschen sind überproportional häufig von Armut betroffen und haben oft keinen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung. Besonders in Ländern des globalen Südens sind Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung häufig von sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen, was ihre Chancen auf ein selbstbestimmtes und würdiges Leben erheblich einschränkt.
Im Sinne der Nachhaltigkeit möchten entwicklungspolitische Bemühungen darauf abzielen, Armut zu bekämpfen und die Lebensbedingungen weltweit zu verbessern. Dabei ist wichtig zu verstehen: Inklusion und Nachhaltigkeit sind zwei Konzepte, die untrennbar miteinander verbunden sind. Ohne Inklusion kann es keine nachhaltige Entwicklung geben, und ohne nachhaltige Entwicklung kann Inklusion nicht vollständig erreicht werden. Ohne Inklusion und die Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen, mit denen Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung konfrontiert sind, bleibt jede Form der Entwicklung einer globalen Gerechtigkeit unvollständig und ungerecht.
Global Denken, Lokal Handeln: Inklusion kennt keine Grenzen
Inklusion und Nachhaltigkeit sind also keine separaten Themen, sondern müssen als integraler Bestandteil einer gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft betrachtet werden. Die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung und ihre Teilhabe an Bildung und Entwicklung sind unerlässlich, um die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich und gemeinsam zu meistern.
Inklusion muss also global gedacht werden, denn die Herausforderungen und Chancen, die mit der Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung verbunden sind, kennen keine nationalen Grenzen. Es ist an der Zeit, dass die Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung weltweit verbessert wird, um sicherzustellen, dass alle Menschen überall die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Gleichzeitig darf aber auch die Situation in Deutschland nicht aus dem Blick geraten. Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung müssen in alle Bereiche der Gesellschaft einbezogen werden – insbesondere auch in der Bildungsarbeit. Auch wir müssen uns fragen: Denken wir Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung in unserer Bildungsarbeit mit? Berücksichtigen wir ihre Perspektiven und Ideen?
Bildung als Schlüssel: Inklusive Bildung für eine nachhaltige Zukunft
Bildung spielt eine Schlüsselrolle bei der Förderung von Inklusion und ist ein wesentlicher Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) festlegt, betont in Ziel 4 die Notwendigkeit einer inklusiven und gerechten Bildung für alle. Und auch das Unterziel 4.7 impliziert, dass Bildungssysteme so gestaltet sein sollten, dass sie alle Lernenden, einschließlich Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung, berücksichtigen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich an der nachhaltigen Entwicklung zu beteiligen.
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) muss also inklusiv gestaltet werden, damit Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung nicht nur als Teilnehmende, sondern als aktive Akteur*innen in den Gestaltungsprozess einer nachhaltigen Zukunft eingebunden werden. Das bedeutet, dass Bildungskonzepte und -angebote so entwickelt werden müssen, dass sie barrierefrei und zugänglich sind, damit Menschen mit unterschiedlichen Bedarfen aktiv daran teilnehmen und ihre Perspektiven einbringen können. Nur wenn Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung von Anfang an in Bildungsprozesse einbezogen werden, können wir sicherstellen, dass die Ziele der Bildung für nachhaltige Entwicklung wirklich alle Menschen erreichen und dass niemand aufgrund von Beeinträchtigung/Behinderung ausgeschlossen wird. Inklusion in der Bildung ist somit nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele weltweit.
bezev: Seit 30 Jahren für Inklusion und globale Gerechtigkeit aktiv
Seit bald 30 Jahren setzt sich bezev (Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.) für die Rechte der rund eine Milliarde Menschen ein, die weltweit mit Beeinträchtigung/Behinderung leben – 80 Prozent von ihnen in Ländern des Globalen Südens. Unseren Projekten und Aktivitäten liegen dabei drei Leitideen zugrunde: Inklusion, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Die Projekte und Aktivitäten von bezev haben das Ziel, zu informieren, zu sensibilisieren und die Situation von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung konkret zu verbessern:
• Erstellung von inklusiven Informations- und Bildungsmaterialien
• Durchführung von Fachtagungen, Fortbildungen, Kampagnen etc.
• inklusive Gestaltung von Freiwilligendiensten
• politisches Engagement (Positionspapiere, Gremienarbeit) national, international und auf UN-Ebene
• Unterstützung von Auslandsprojekten
• Publikation der einzigen Fachzeitschrift im deutschsprachigen Raum „Behinderung und internationale Entwicklung. Disability and International Development“
Auch auf dem WeltWeitWissen Kongress 2024 sind wir von bezev dabei, um sich im Panel I „Globaler Zusammenhalt & Partizipation“ und auf dem Bildungsmarkt zu „Inklusive Bildung für nachhaltige Entwicklung“ mit allen Teilnehmenden gemeinsam zu Inklusion im globalen Kontext auszutauschen und darüber zu diskutieren, wie globale Gerechtigkeit Realität werden kann.